So fahren Unternehmen die Motivation von Digital Natives gegen die Wand!
Nur ein Beispiel, aber ein sehr gutes – garantiert mit Aha-Erlebnis. Naja, nicht für alle, aber für solche, die es nicht verstehen, junge Menschen in deren Arbeits-Realität abzuholen. Es geht um die Geschichte von Manuel, heute 28, Youtube-Blogger, mit dreijähriger Berufserfahrung in einem jungen Unternehmen. Schwerpunkt: Kommunikation und Marketing.
Manual hat sich überzeugen lassen. Ein mittelständisches Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern ist auf der Suche nach einem Kommunikations- und Marketing-Fachmann, der die externe Kommunikation des Unternehmens auf digitale Kanäle ausweiten und eine bessere Beziehung zu (potenziellen) Kunden aufbauen soll.
Die Geschäftsleitung hat im Einstellungsgespräch top Arbeit geleistet. Beide Seiten sind sehr angetan voneinander: Für Manual klingt das alles nach viel Verantwortung, einem großen Handlungsspielraum und viel Selbstorganisation. Die Geschäftsleitung selbst ist stolz darauf, einen so gut qualifizierten Digital Native für sich gewinnen zu können. Einen jungen High Potential, der frischen Wind und eine große Portion Innovationskraft ins Unternehmen bringen soll. Bis zu diesem Zeitpunkt läuft alles nach Plan – beide Seiten sind motiviert und neugierig auf die Zusammenarbeit.
Erster Arbeitstag
Tag 1 steht vor der Tür. Manual betritt seinen neuen Arbeitsplatz – ein tolles Einzelbüro. Vor ihm steht sein neues Werkzeug: Bildschirm, Docking-Station, Laptop, Kabelsalat. Daneben ein Festnetz Telefon, ihm gegenüber ein Besprechungstisch mit vier Stühlen, dahinter ein Schrank, gefüllt mit Sicherheitshelm, Sicherheitsschuhen und ein Regenschirm. Hinter ihm ein riesiges Regal für Ordner und Bücher, rechts von ihm eine große Fensterzeile und links von ihm auf dem Schreibtisch ein kleines Post-it mit „Herzlich Willkommen! Bei Fragen melden Sie sich gerne bei mir. Ihre Sekretärin XY.“ Und in der obersten Rollschublade unter seinem Schreibtisch entdeckt er ein Mobiltelefon – ein altes Klapphandy. Überrascht von diesem Anblick ruft er bei der Dame vom Post-it an und erkundigt sich, ob das Handy möglicherweise nur als Übergangshandy dienen soll. Die Dame verneint und argumentiert, dass moderne Mobiltelefone mit jeglichem Schnickschnack nur für außertarifliche Mitarbeiter vorgesehen sind. Manual bedankt sich für die Auskunft und legt mit einem enttäuschenden Bauchgefühl den Hörer auf.
In den nächsten Stunden seines ersten Arbeitstages begegnen ihm dann noch viele weitere Enttäuschungen: Sein Laptop ist ein altes gebrauchtes Modell – läuft nur mit Windows. Das Internet ist für diverse Seiten geblockt. Er stellt fest, wichtige Seiten nicht abrufen zu können. Zum Beispiel hat er sich zu Hause einen Dropbox Ordner extra für die Arbeit eingerichtet und hat nun keinen Zugriff darauf. Er ruft bei der IT Abteilung an und erkundigt sich, womit das zusammenhängt. Die ernüchternde Antwort: „Sicherheitsvorschriften, daran lässt sich nichts ändern. Sorry.“ WLAN gibt es auch nicht, so dass er seine privaten E-Mails nicht abrufen und sein iPhone 6 sowie iPad nicht beruflich nutzen kann. Dann stellt Manual auch noch fest, wichtige Programme wie Fotoshop und Camtasia sind nicht installiert. Toller Einstieg!
Noch am gleichen Tag meldet er sich bei der Geschäftsführung und zählt alle Mängel auf. Ihm wird zugesagt, dass seine Forderungen in den nächsten Wochen alle erfüllt werden. Auf die Frage, ob er bis dahin denn seine privaten Geräte nutzen darf, wird ihm abgesagt. „Die Nutzung privater Geräte ist für alle strickt untersagt. Dazu gehören Laptop, Tablets, Handy und eigene USB-Sticks“, so sein Gesprächspartner. Und auf die Frage, was er denn dann in den nächsten Wochen konkret umsetzen soll, erhielt er die Antwort: „Nutzen Sie die Zeit, sich mit Ihren neuen Kollegen auszutauschen, die Unternehmensrichtlinien zu lesen und unser Organigramm zu studieren. Damit haben Sie erst mal genug zu tun – immerhin müssen Sie das ja auch noch sacken lassen.“ In Manual steigt ein mieses Gefühl auf – „ob das denn die richtige Entscheidung war?“ Schnell streicht er dieses ungute Gefühl aus seinem Kopf und tröstet sich mit dem Gedanken „Erst mal ankommen und abwarten, das wird sich schon alles richten.“
Was ist passiert?
Zwei unterschiedliche Arbeitsweisen und somit auch Denkweisen stehen sich gegenüber: eine alte versus digitale. Manual ist es gewohnt, Laptop, Smartphone und Tablet gleichzeitig privat und beruflich zu nutzen. Für ihn gibt es diese klassische Trennung zwischen Arbeit und Freizeit nicht. Darüber hinaus arbeitet er seit Jahren mit neuesten Werkzeugen, Programmen und Updates, um effektiv und schnell arbeiten zu können. Ständig werden neue Programme installiert oder deinstalliert, um zu testen, wie die Arbeit selbst noch effizienter gestaltet werden kann. Einschränkungen im Internet sind ihm nur von Ländersperren bekannt. Mit Freunden kommuniziert er über WhatsApp, Informationen zieht er sich aus Twitter und knüpft hin und wieder neue Kontakte über Facebook. Blogs helfen ihm bei der Recherche bestimmter Themen und bei Youtube schaut er sich Anleitungen für neue Programme an.
Versprechen und Realität stimmen nicht überein
Das heißt: Manual ist ein hohes Maß an Freiheit gewohnt! Er liebt es, selbstbestimmt zu experimentieren und Feedback über sein digitales Umfeld einzuholen. Genau diese Antreiber sind es jedoch, die in seinem neuen Arbeitsumfeld ausgebremst werden. Statt ein schönes großes Einzelbüro = materielles Statussymbol, wünscht sich Manual eine Befriedigung auf einer eher immateriellen Ebene: Die Möglichkeit, die gewohnte Arbeitsweise auch im neuen Unternehmen ausleben zu dürfen. Weil das nicht der Fall ist, rutscht nicht nur seine Motivation sukzessive in den Abgrund, sondern seine Potenziale, für die er eingekauft wurde, können gar nicht optimal zum Einsatz kommen. Potenzial-Verschwendung pur!
Die Denkmuster der Realität
Ich kenne es aus eigener Erfahrung. Man trifft als junger Mensch auf bestehende Routinen, Gewohnheiten und Denkmuster. Offen für Neues sind nur wenige. Mit dem ganzen Internet-Zeugs kennen sich im Umfeld nur wenige aus. Und auch Manual hat Schwierigkeiten, mit seinem Wissen und Können bei seinen Kollegen auf Interesse zu stoßen. Wie auch? Viele der Ü45 Jährigen kennen sich mit der digitalen Welt nicht aus. Sie haben keinen blassen Schimmer von dem, was Manual erzählt und umsetzen möchte. Gleich nach dem Meeting eine Unternehmens-Facebook-Seite aufbauen? Das muss doch erst im nächsten Arbeitskreis abgestimmt werden, basierend auf einem Konzept, das Manual bitte als Präsentation vorstellt. Erklärvideos aufnehmen zu interner Produkt-Ideen, die dann bei Vimeo online stellen und über Social Media Kanäle streuen, um Feedback von (potenziellen) Kunden einholen? Bloß nicht! Was ist, wenn die Konkurrenz die Ideen abgreift und umsetzt? Oder wenn sich (potenzielle) Kunden negativ zu den Ideen äußern?
Konkrete Tipps
Innovationsteam einrichten
Ihr merkt es schon! Nicht nur, dass Manual sein digitales Können nicht einsetzen darf, sondern auch seine Experimentier- und Innovationsfreude werden unterdrückt. Nach monatelangen (gescheiterten) Bemühungen entscheidet sich der junge talentierte Manual, das Unternehmen zu verlassen.
Um das Potenzial innovativer Querdenker nicht gegen die Wand zu fahren besteht eine gute Möglichkeit darin, mehrere solcher Querdenker von der Masse zu separieren und sie in sogenannten „Innovationsteams“ arbeiten zu lassen. Abgeschottet von alten Denkfallen, starren Strukturen und Abläufen. Sie brauchen also einen kulturellen Schutzraum, um gute Ideen entwickeln zu können – und diese dann über ein Pool an Multiplikatoren im Unternehmen Schritt für Schritt zu verbreiten. Fragt solche Querdenker, wie sie sich ein optimales Zusammenarbeiten vorstellen – sie werden euch eine gute Lösung liefern.
Anspruch mit Wirklichkeit abgleichen
Stellt junge / dynamische Mitarbeiter ein, gleichen Sie Anspruch mit Wirklichkeit ab. Lasst hierzu beispielsweise einen Testdurchlauf durchführen, von einer externen Person, vielleicht aus eurem privaten Umfeld. Der Testdurchlauf kann einen Tag, zwei Tage oder eine ganze Woche andauern. Ihr werdet so Feedback dazu erhalten, wie gut sich ein „ähnlich“ tickender Mensch in seiner Arbeits-Realtitä abgeholt fühlt.
- Wie positiv ist der erste Tag verlaufen?
- Sind alle Ansprüche erfüllt?
- Wo und wie kann für einen besseren Einstieg gesorgt werden?
- Wer ist ein guter interner Ansprech- und Austauschpartner?
- Wie könnten mögliche Reaktionen vom Umfeld auf den neuen Mitarbeiter und umgekehrt bestehen?
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