Wie flexibel die Arbeitswelt wirklich sein muss
Digitalisierung, Internet und Globalisierung verändern unsere Gesellschaft, unsere Art zu kommunizieren und die Arbeitswelt von Grund auf. Ein essentieller Trend dabei ist die flexible Arbeit. Flexibel in jeder Hinsicht: Ort, Zeit und Inhalt. Für den einen ist das eine willkommene Entwicklung, für den anderen endet das im Burn-Out.
Peter Tauber liegt leider falsch, wenn er twittert „Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, brauchen Sie keine drei Minijobs.“ Und das liegt nicht daran, dass die Menschen nicht lernen wollen oder können oder sich keine Mühe geben. Es liegt an den Megatrends der Gegenwart, die immer mehr Menschen in flexible und atypische Jobs zwingen.
Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.
— Peter Tauber (@petertauber) 3. Juli 2017
Die Globalisierung führt dazu, dass Unternehmen sich einem größeren Wettbewerb und damit höheren Kostendruck stellen müssen. Durch die Automatisierung verschwinden viele Jobs und neue entstehen. Beim Job-Futuromat kann jeder herausfinden, wie automatisierbar sein eigener Job heute schon ist. Und wenn er es noch nicht ist, liegt das wahrscheinlich daran, dass der Arbeitsplatz geschützt werden soll. Denn würde man alle Jobs soweit automatisieren, wie es möglich ist, würden Hunderttausende Arbeitsplätze wegfallen – vor allem die der Menschen, die für die Vergangenheit ausgebildet wurden. Nach einer Studie von Frey & Osborne bzw. ihrer Adaption auf Deutschland wären es 42% aller Jobs, die automatisiert werden können. Eine Liste der Jobs, die besonders betroffen sind, gibt es hier.
Aber ist das so schlimm? Was für eine Gesellschaft ist es denn, in der Jobs, die besser von Maschinen erledigt werden können, trotzdem von Menschen gemacht werden. Das ist reine Beschäftigungstherapie! Stattdessen sollte der Fokus auf der Wissensarbeit liegen, auf dem, was nur der Mensch kann und nicht die Maschine.
So fallen in einer Gesellschaft, die immer weiter automatisiert wird, zwar viele Jobs weg – vor allem für Geringqualifizierte. Aber andererseits werden mehr Wissensarbeiter benötigt und der Anspruch an den einzelnen Job, an den einzelnen Wissensarbeiter steigt. Doch besonders was kreative und sozial-intelligente Tätigkeiten angeht, fehlt es noch an den richtigen Mitarbeitern, weil hier die Ausbildung versagt. Wir stehen also vor einer Situation, in der die potenziellen Mitarbeiter das gelernt haben, was die Unternehmen nicht brauchen.
Gleichzeitig werden aber nicht nur in der Wissensarbeit neue Mitarbeiter benötigt, sondern auch im Dienstleistungsbereich. Und dann landen die Menschen, die zwar „was ordentliches gelernt“ haben, trotzdem in Minijobs im Dienstleistungssektor.
Viele Unternehmen versuchen, sich mit Cloud- oder Crowdworkern, virtuelle Teams, und arbeiten rund um die Uhr zu behelfen, um die Arbeitskraft der geeigneten Arbeiter so gut wie möglich zu nutzen.
Aber ist das wirklich eine nachhaltige Lösung? Ein Pro und ein Kontra.
Pro flexible, virtuelle Arbeit
Es gibt kein Zurück mehr, sondern nur noch ein Vorwärts, so viel ist klar. Die Arbeitswelt hat sich verändert, wir können die Zeit nicht mehr zurückdrehen, also müssen wir die Chancen nutzen, die uns die Entwicklung gegeben hat.
Flexible Einsatzzeiten und –orte sind dafür essenziell. Wenn die Anforderungen an die Arbeitsplätze steigen, brauchen die Unternehmen qualifiziertere Arbeitskräfte. Und die sind nicht immer an einem Ort zu finden. Modelle, wie das Cloudworking sind deshalb für Unternehmen eine interessante Möglichkeit, das Wissen und Potenzial von Mitarbeitern aus aller Welt zu nutzen.
Gleichzeitig ist auch diese Form der Arbeit nur ein Übergang. Langfristig wird es immer mehr Projektarbeit geben, für die immer unterschiedliche Experten benötigt werden. Diese werden dann je nach Bedarf beauftragt, anstatt ein fester Teil der Workforce zu sein. Und zwar nicht nur für kleine digitale Arbeiten, sondern für große, komplexe Projekte – digital und nicht digital. Das führt zu einer vollkommenen Auflösung traditioneller Arbeitsverhältnisse, Job-Hopping und ständig wechselnden Teams. Das bringt zwar Vorteile, aber auch Herausforderungen, die es zu meistern gilt – vor allem im HRM.
Für die Mitarbeiter bringt die flexible Arbeit ebenfalls nur Vorteile. Sie können von zuhause und zeitlich flexibel arbeiten und so Familie und Job miteinander vereinbaren. Sie können sich eine Auszeit nehmen, wann immer sie eine brauchen und Aufträge anbieten, wenn es notwendig ist. Sie haben außerdem die Möglichkeit, sich ohne Probleme ständig neue Herausforderungen zu suchen, die sie nicht unbedingt finden würden, wenn sie dauerhaft im selben Job arbeiten würden. In einer Welt, die sowieso hauptsächlich online stattfindet, ist es außerdem nur die logische Konsequenz, dass auch der Job online ist.
Kontra flexible, virtuelle Arbeit
Flexible Arbeitsverhältnisse sind nur ein Deckmantel für prekäre Arbeitsverhältnisse. Unternehmen versuchen, damit die Sozialversicherungspflicht zu umgehen und verlangen unzählige Überstunden von ihren Mitarbeitern mit dem Argument, dass ihre Arbeitszeiten ja flexibel seien.
Die flexible Arbeit führt dazu, dass Mitarbeiter immer erreichbar sind und sein wollen. Denn Cloud- und Crowdworking führt zu wachsender Konkurrenz unter den Arbeitern. Es anonymisiert die Arbeit und macht die Arbeiter so leicht ersetzbar. Wer nicht da ist, wenn es gerade Arbeit gibt, bekommt den Auftrag auch nicht. So ist eine ständige Präsenz gefordert. Gleichzeitig senkt der Konkurrenzdruck die Löhne.
Aber Cloud- und Crowdworking sind da nur die Extremformen. Das Problem beginnt schon im Unternehmen. Moderne Kommunikationstechnologien machen es erst möglich, ständig erreichbar zu sein, zuhause noch E-Mails zu beantworten und so aber eben auch mal zuhause zu bleiben, wenn es nötig ist. Die Folge: Praktisch komplettes Work-Life-Blending. Mehr dazu habe ich auch hier geschrieben.
Dieser Trend kann einigen entgegenkommen, ist aber nicht die richtige Arbeitsform für viele Arbeiter. Wenn jemand das will und schätzt, kann er gerne so arbeiten. Aber von jedem Mitarbeiter plötzlich diese Flexibilität einzufordern, kann nicht die Lösung sein. Es gibt einen Grund, warum in unserer Beschleunigungsgesellschaft (Hartmut Rosa) immer mehr Überstunden gemacht werden, sie ja überhaupt erst werden möglich. Aber mit den Überstunden und dem Work-Life-Blending steigen auch Krankheiten wie Burn-Out und andere psychosoziale Störungen.
Aber nicht nur für die Mitarbeiter ist der Trend zum vollkommen flexiblen Arbeiten problematisch. Auch Führungskräfte stehen vor großen Herausforderungen. Wie können internationale Teams gemeinsam geführt werden, die sich nicht einmal sehen? Wie geht Führung auf Distanz? Und wie geht man mit der hohen Mitarbeiter-Fluktuation um?
All diese Fragen und Herausforderungen sind zwar nicht einfach zu lösen, müssen aber gelöst werden. Denn aufzuhalten ist die Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht mehr.
Quellen
- Die Studie von Frey & Osborne.
- Die Adaption der Studie auf Deutschland.
- Welche Jobs von der Automatisierung besonders betroffen sind.
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