Wie ticken sie wirklich, die Jungen?
Respektlos, verwöhnt, faul oder neugierig, fordernd, flexibel. Die Meinungen über die Generation Y klaffen weit auseinander. Wie ticken Sie aber wirklich die Jungen, die nächste Generation, unsere Zukunft?
Der Beitrag ist auf Capital.de erschienen.
„Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Albert Einstein, Autor dieses Zitats, war erst 26 Jahre alt, als er seine erste Version zur Relativitätstheorie vorgestellt hat – mit dem Titel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“. Der Physiker war nicht nur intelligent und gebildet. Er galt auch als verrückt, experimentierfreudig und eben neugierig. Ohne diese Eigenschaften wäre er vermutlich nicht einer der weltweit berühmtesten Wissenschaftler der Welt geworden. Einstein hat sich etwas getraut. Er hat seinen Erfolg provoziert, indem er nicht aufgegeben hat und sich nicht entmutigen ließ.
Wäre es nicht das Jahr 1905 gewesen sondern 2016, hätte man Albert Einstein für einen typischen Vertreter der Generation Y gehalten. Nicht nur, dass der GenY Attribute wie Neugierde nachgesagt werden – manch einer mag sie für größenwahnsinnig halten. Hatte man das über den Physiker nicht auch gesagt?!
Neugierig, fordernd, flexibel, respektlos, faul und verwöhnt. Die Meinungen über die Generation Y gehen weit auseinander. Zu viele Vorurteile pflastern ihren Weg in die Arbeitswelt, so auch der Glaube, sie seien freiheitsliebend und würden lieber frei arbeiten als in einer Festanstellung… Wir sind nicht in den 70 Jahren, nur weil in den Medien Worte wie „Work-Life-Balance“ fallen. Um mit diesen Stereotypen aufzuräumen, habe ich das Buch „Die spinnen, die Jungen! Eine Gebrauchsanweisung für die Generation Y“ geschrieben. Darin stelle ich klar, was die Generation Y will und was sie bietet und was völliger Unsinn ist. Beispielsweise ist die GenY nicht verantwortlich für den Wandel der Arbeitswelt. Die Arbeitswelt befindet sich schon lange im Wandel – die GenY ist bloß ein Treiber dessen.
KEINE GENY DEBATTE OHNE DIE BABYBOOMER
Doch wer ist sie denn nun eigentlich, diese Gen Y? Betrachten wir sie mit der demografischen Brille, umfasst sie die Alterskohorte der heute 20- bis Mitte 30-Jährigen (*1980 – 1995). Neben ihr gibt es die U-20-Jährigen, die als „Generation Z“ bezeichnet werden (*1995 – 2010), die Generation X, die heute Mitte-30- bis 50-Jährigen (*1965 – 1980), die Babyboomer, die Eltern-Generation der Generation Y (*1950 – 1965) sowie die 68er-Generation, die älteste Generation, die sich aktuell auf dem Arbeitsmarkt rumtreibt (*1935 – 1950).
Diese Einordnung ist wichtig, um zu verstehen, was ich mit meinem Buch transportieren will: Wenn man sich ein Urteil von der GenY bildet, ist der Blick auch auf die anderen Generationen zu richten, vor allem auf die Babyboomer. Denn mit ihnen reiben wir uns: Themen wie Führungsstil, Arbeitszeiten, Leistungsdenken, Karriereverständnis, das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, die Vereinbarkeit von Elternsein und Karriere machen. All das wird durch die soziokulturellen Sichtweisen unserer beider Generationen sowie von Wirtschaft und Gesellschaft geprägt.
Deshalb hat auch der Vorfall mit dem Handlauf zwei Seiten, der mich unter anderem dazu bewegt hat, mich näher mit dem Generationenkonflikt in der Arbeitswelt auseinanderzusetzen. Es war in meiner ersten Woche in einem festen Job. Ich hatte Sportwissenschaften studiert, war wie immer flink unterwegs, als ich mit meinen neuen Kollegen Mittagessen gehen wollte. Anders als ich sind die Kollegen die Treppe nicht in schnellem Tempo heruntergelaufen, sondern in Reih und Glied nacheinander herunter gewatschelt… ja, gewatschelt! Mein Chef rief von letzter Stelle, ich möge doch bitte den Handlauf benutzen – also mich am Geländer festhalten. Ich hatte mich festgehalten, damit ich nicht vor Schock umkippe.
Das ist ein extremes Beispiel, ich weiß. Der Handlauf steht stellvertretend für alle verstaubten Regeln und Prinzipien, die sich in deutschen Unternehmen im Laufe der Jahrzehnte angesammelt haben.
Hier kommt die GenY ins Spiel. Man sagt, sie hält ungerne Regeln ein und stellt Prinzipien in Frage? Genau das tut sie. Nicht weil es ihr gefällt, die Nerv-Generation zu sein sondern weil sie es für nötig hält, Dinge zu hinterfragen. So haben uns unsere Eltern erzogen: „Untersuche“, „hinterfrage“, „sag, wenn dir etwas nicht passt“, „guck nicht auf die anderen, zieh dein Ding durch“. „Wer, wie, was“ heißt es schließlich in der Sesamstraße. Sie sind wie Helikopter über uns geschwebt, haben uns alles ermöglicht und den Lebensweg geebnet. So sind wir zu dieser Generation geworden.
EXPERIMENTIERFREUDE STATT GERADLINIGKEIT
Trotzdem oder gerade deshalb ist das Lebensmodell unserer Eltern und unserer Großeltern nicht mehr der Status Quo. Wir sind mit dem Internet aufgewachsen, leben globaler, haben jeden Tag Kontakt mit Leuten in Singapur und Kanada – mit nur einem Klick. Das zeichnet sich auch in unseren Wertevorstellungen von Arbeit ab: Sinnerfülltes Tun statt Geld, Internationalität und Flexibilität im Job statt Status, Freude statt Pflicht. Das Warum und das Wie in der Arbeitswelt haben sich verändert. Es geht mehr darum, eine Mosaikkarriere zu machen – also vieles auszuprobieren, neuen Dingen eine Chance zu geben – anstatt geradlinigen Lebensläufen hinterher zu hetzen.
Doch: Eins will ich hierbei betonen. Nur weil Flexibilität und Kreativität im Job vorhanden sein sollen, will die GenY nicht in Unsicherheit leben – entgegen der weit verbreiteten Meinung, jeder Mensch zwischen 20 und 35 sei freiheitsliebend. Im Gegenteil, das „nextpractice Institut“ hat unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Kruse eine Studie durchgeführt zum Wertesystem der Generation Y. Als Ergebnis kam heraus: Diese Generation ist in zwei komplett gegensätzliche Lager gespalten. 50 : 50. Die eine Hälfte ist sehr freiheitsliebend, strebt nach Autonomie, flachen Hierarchien, will sich vernetzen, versteht Arbeit als persönlichen Lernweg, will experimentieren, verhält sich unkonventionell und nimmt für ein gutes Arbeitsumfeld ein geringeres Gehalt in Kauf. Auf der anderen Seite gibt es die „Sicherheitsgruppe“, die eher nach traditionellen Werten und Mustern lebt. Sie strebt nach Strukturen, Jobsicherheit, Zielsicherheit, Karrieremöglichkeiten und befürwortet klare Hierarchien. Auch die Shell Jugendstudie von 2015 hat ergeben, dass sich fast jeder Jugendliche einen sicheren Job wünscht (95 Prozent).
ARBEITSWILLIGE ALTE
Hier zeigen sich die Schattenseiten der Arbeitswelt – wie die 24/7-Erreichbarkeit, On demand-Arbeit oder dem größer werdenden top down-Gefälle – die ich in meinem Buch in einer Exkursion beschreibe. Weitere Exkursionen handeln unter anderem vom aktuellen Bildungssystem, das vor Dämlichkeit strotzt sowie von dem Unterschied zwischen der deutschen und der US-amerikanischen Gründungskultur. Zudem ziehe ich einen Bogen in die Mitte des 20. Jahrhundert, als Deutschland sich von den Weltkriegen erholt und die Industrialisierung begonnen hat. Management nach Taylor, top down-Führung versus heutiger VUKA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität)-Realität spielen dabei eine Rolle.
Der Haken in dieser neuen Realität ist: Es gibt zu viele Alte und zu wenig Junge. Immer mehr Menschen kommen in diesen Jahren ins Rentenalter, hören auf zu arbeiten und beziehen Leistungen vom Staat. „Mit 40 geht das Leben erst richtig los, aber da hört bisher in Deutschland das Personalmanagement auf«, sagte James Vaupel im Gespräch mit DIE ZEIT. Vaupel hat das Max-Planck-Institut für demografische Forschung aufgebaut. Mit 51 Jahren. Erfolg hat also keine Deadline. Interessant ist hier auch die statistische Beobachtung, dass immer mehr Ü65-Jährige erneut die Universität besuchen und einen neuen Bildungsabschluss erwerben wollen. Mehr als 17.000 Gaststudierende aus dem Wintersemester 2014/ 2015 waren über 60 Jahre alt. Tendenz steigend. Silver Workers nennt man diese arbeitswilligen Alten.
Ob mit 20 Jahren oder mit 60: Seine Lebenseinstellung bestimmt man selbst. Natürlich gucken die Leute blöd, wenn die Oma aufs Motorrad steigt. Na, und?! Die Leute gucken immer blöd, wenn jemand etwas macht, womit sie nicht gerechnet hätten. Denken wir an Einstein… Ich bin also der festen Überzeugung, dass das Alter wichtig jedoch nicht entscheidend ist. Es geht um den Mindset. Wenn der Mindset eines Alten dem eines Jungen gleicht, gehören beide zur Generation Y – egal ob die Alterskohorte stimmt oder nicht. Deshalb kommen in meinem Buch junge und alte Leute zu Wort. Einfach unter #GenerationYMindset nachlesen.
Zu den Alten gehören in diesem Fall auch die Babyboomer, aus dessen Generation aktuell der Großteil der Führungskräfte stammt. Klar ist: Es wird einen Paradigmenwechsel geben, in Bezug auf Handlungsgrundprinzipien wie Planbarkeit, Hierarchie, Effizienzstreben und dem Alleindenkertum. Diese Maxime vieler Organisationen verlieren zugunsten einer agileren Organisationsstruktur an Bedeutung und Relevanz. Ihnen gegenüber stehen neue Erfolgsprinzipien: Beweglichkeit und Dynamik, Partizipation und Innovationsfähigkeit.
So liegt laut Zukunftsinstitut von Matthias Horx der wahre Impact des Megatrends der Konnektivität im sozialen, nicht im technologischen Fortschritt. Internet und Digitalisierung begünstigen diesen sozialen Prozess. Anstatt die Generation Y also als kläglich oder unrealistisch zu bezeichnen, sollten die Babyboomer lieber mit ihnen sprechen und ihnen zuhören. Wir mutieren vom Homo oeconomicus zum Homo socialis, der mehr Wert auf ein wir-getriebenes Arbeiten legt. So wird auch der Wir-Gedanke zu einem zentralen Treiber für Führungskräfte.
Ohne Kommunikation funktioniert gar nichts und am wenigsten ein guter Wandel in der Arbeitswelt. Dann gibt es nur irgendeinen Wandel. Und das will weder die GenY noch wollen das die Babyboomer. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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Autoren: Steffi Burkhart & Laura Waßermann
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