Ich habe die Familie ans Meer gebracht und dann weitergearbeitet
Gestern ist mir das Spiegel-Gespräch mit Hartmut Mehdorn etwas aufgestoßen. Herr Mehdorn, 72, gehörte lange Jahre zu Deutschlands Manager-Elite – ob bei der Deutschen Bahn oder dem Berliner Flughafen. Er war über Jahrzehnte hinweg Vorbild für tausende von Managern, Führungskräften, Vätern und Männern.
Ein Manager der alten Schule – ein kerniger Typ, wie Jürgen Schrempp von Daimler oder Wendelin Wiedeking von Porsche. So sieht sich Herr Mehdorn selbst und differenziert sich von der neuen Generation junger Manager, die viel Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf legen.
Familienfreundlichkeit aus Vätersicht hat es für Herrn Mehdorn nie gegeben. Das bestätigen seine Aussagen wie:
- In den Sommerferien habe ich die Familie ans Meer gebracht und dann weitergearbeitet.
- Die neue Manager-Generation will früher Feierabend machen, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Dann darf man nicht darüber jammern, wenn man nicht aufsteigt. Wer wirklich nach oben will, muss Einsatz zeigen, notfalls Tag und Nacht.
- Man sollte doch nicht so scheinheilig sein und so tun, als bliebe eine Auszeit folgenlos.
-> Das Interview könnt ihr hierüber abrufen.
Wenn also die Wirtschaftsspitze selbst nicht bereit ist, sich einem modernen Mind Set zu öffnen, bleibt Familienfreundlichkeit weiterhin ein leeres Versprechen und Pflichterfüllung vieler Unternehmen. Das Beispiel „Mehdorn“ zeigt sehr deutlich: Wir brauchen ein Umdenken in der Entscheider-Ebene. Führende Köpfe – die ja oftmals Männer Ü50, 60, 70 sind – in Politik und Wirtschaft müssen verstehen, dass viele Vertreter nachrückender Generationen das traditionelle Familienmodell nicht mehr leben wollen. Sogar Mehdorns Söhne selbst haben sich gegen ein ähnliches Leben ausgesprochen. Sie nehmen sich mehr Zeit für die Kindererziehung und leben in gleichgerechter Rollenverteilung. Und was sagt der alte Manager-Rambo dazu? „Mutig“.
Ich finde „mutig“ ist hier die falsche Beschreibung. Zur Selbstverständlichkeit sollte es gehören und Big-Player unserer Wirtschaft müssen in Ihrer Position als Vorzeige-Beispiel vorangehen – sonst wird Deutschland auch in den nächsten 5 bis 10 Jahren damit zu kämpfen haben, dass Macher von Morgen keine Führungs-/ Verantwortung übernehmen wollen.
Und dann wird die Manager-Elite von heute in 15 bis 20 Jahren damit zu kämpfen haben, im pflegebedürftigen Alter eigene Kinder davon zu überzeugen, täglich Hilfe zu leisten (Einkaufen, Tabletten sortieren, Spiele spielen, regelmäßig die Enkelkinder vorbeibringen, Arztbesuche durchführen …) und die eigenen Väter nicht ins Altersheim abzuschieben. Mit der Aussage: „Ich habe keine Zeit für Dich. Will Karriere machen – und mich nicht irgendwann wieder hinten anstellen müssen.“
Mein Fazit: Wer selbst nach alten Mustern denkt richtet großen Schaden an: sowohl für die Gesellschaft (sinkende Geburtenrate), das Unternehmen (geringe Attraktivität, Führungs-Desinteresse, gestresste Mitarbeiter/innen) – und möglicherweise auch für sich selbst.
Wie ist eure Meinung zu dem Familien-Mind-Set von Hartmut Mehdorn?
Welche Erfahrungen macht ihr in Unternehmen?
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