Die Bildungspanne!
“Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ (@nainablabla)
Wie oft ich innerhalb der vergangenen Monate auf diesen Tweet verwiesen habe? Sehr oft! Alleine das zeigt, dass mit unserem Bildungssystem etwas ganz gewaltig nicht stimmt. Reformen über Reformen und die meisten Politiker sind auch noch stolz auf das, was sie Bildungssystem nennen. Denen kann ich entgegnen: Reformen sind nicht alles – besonders dann nicht, wenn man seine Zielgruppe aus den Augen verliert.
Natürlich lernen wir alle, wir lernen unser ganzes Leben lang: beruflich und privat, durch uns selbst und durch Andere. Und doch denkt man bei Bildung und Lernen meist an junge Leute, an Schulen und Universitäten. Nicht umsonst handelt der Song der Sesamstraße vom Fragen und vom Lernen: Kinder und junge Erwachsene müssen lernen, um zu reifen. Darum geht es doch in der Ausbildung. Es ist nicht nur das Lernen in der Schule und an der Uni sondern auch das Leben darin und damit, was einen kleinen Menschen zu einem großen werden lässt, was einen jungen Erwachsenen in einen Erwachsenen verwandelt.
Und dafür hat jede Generation ihre ganz anderen Bedürfnisse. Wenn es während meiner Schulzeit noch ganz cool war, eine Power Point Präsi zu machen, ist das heute sowas von oooout. Power Point? Pff! Die jungen Menschen machen doch heute alles digital mit allmöglichen Programmen und Apps und Videos – da fühle ich mich „alt“ und ich bin 23!!!
In einer Zukunftsstudie des Münchner Kreises hieß es im vergangenen Jahr: „Diejenigen, die heute eine akademische oder berufliche Ausbildung beginnen, werden in den nächsten Jahren primär nach herkömmlichen Lehrmustern ausgebildet. Sind sie mit ihrer Ausbildung fertig, kommen sie in ein berufliches Umfeld, das immer mehr durch digitale Spielregeln, digitale Geschäftsmodelle und automatisierte Produktionsprozesse (Industrie 4.0) geprägt sind. Schüler, Auszubildende und Studierende werden zwar gut ausgebildet; allerdings nicht ausreichend für die digitalen Anforderungen von morgen. Menschliche Wissensarbeit wird sich zudem gegen lernfähige Algorithmen behaupten müssen. Die notwendigen Fähigkeiten zu IT-Kompetenz, interdisziplinäres Denken und Kreativität bilden jedoch weder die Aus- noch Weiterbildungssysteme ausreichend ab.“
Und das obwohl Video-Tutorials der große Hit im E-Learning-Bereich sind. Junge Leute gucken sich heutzutage sowieso alles bei Youtube, MyVideo und Co. an: Wie man seine Nägel lackiert, wie man in seinem Computerspiel weiterkommt, wie man dies und jenes benutzt. Warum sollen sie nicht auch so lernen? Eine Online-Umfrage vom Studienkreis hat bereits 2012 ergeben, dass knapp 60 Prozent der Befragten während der Hausaufgaben im Netz surfe, 77 Prozent nutzten digitale Lerninhalte, indem sie online recherchieren. Jeder Zweite sei zudem bei Facebook eingeloggt, um sich mit seinen Mitschülern über die Hausaufgaben auszutauschen.
Erst kürzlich hörte ich eine Mutter sagen: „Dieser Unge wohnt auch mit bei uns im Haus, so oft laufen bei meinem Sohn Videos von dem.“ (Für Nichtwissende: Unge ist einer der erfolgreichsten Youtuber Deutschlands.) Bezeichnend oder? Youtube ist das neue Nintendo. Manch einer möge sich jetzt fragen, was Youtube mit dem deutschen Bildungssystem zu tun hat?! Alles! Ein 15-Jähriger ist digitale Medien gewohnt, er muss sie nicht in den Alltag einpflegen, der Umgang damit ist sein Alltag. Warum also sind Schulen und Universitäten auf dem allerletzten Mausepfad in Sachen Digitalität unterwegs? Mit Sicherheit gibt es vereinzelt Schulen, Unis und Bundesländer, die auf dem richtigen Weg sind – aber bis dahin dürfen die meisten Schüler und Studenten vom Lernen von morgen heute noch träumen.
Aber: Wie sieht es eigentlich in der Praxis aus? Ich habe mit drei Mitgliedern der Generation Y gesprochen, wie sie selbst lernen. Meine Fragen waren:
Du lernst am liebsten mit… a) handschriftlichen Notizen, b) Internet oder c) Freunden oder Bekannten?
Du tust das, weil… ?
Was glaubst du: Wie lernt man in 20 Jahren?
Hier sind die Antworten:
Tobias (23), Journalist
Ich lerne mit handschriftlichen Notizen, …
… weil ich mir Sachen durch Zusammenfassen und Niederschreiben viel besser merken kann als sie nur zu lesen oder „copy paste“ zu machen. Außerdem kann ich mir besser das Bild einer Karteikarte einprägen, wenn ich diese selbst gebastelt habe. Dann weiß ich in einer Prüfung, wo ich was stand und dann auch was.
In 20 Jahren lernt man viel mehr mit Video-Erklär-Vormach-Tutorials. Ich werde mir Dinge immer noch mit Notizen merken.
Viola (27), Lehrerin
Ich lerne irgendwie mit allem. Das ist schwierig, zu beantworten. Ich recherchiere im Internet und fasse es mit handschriftlichen Notizen zusammen. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich das Internet wählen.
Ich tue das, weil ich im Internet schnell und gezielt finden kann, was ich suche. Beim handschriftlichen Zusammenschreiben wiederum kann ich die Infos dann am besten behalten.
3. Ich denke, in 20 Jahren lernt man teils immer noch wie heute und teils mit entsprechenden Lern-Apps.
Andy (28), Mediengestalter
Ich lerne immer handschriftlich, …
… weil ich das so besser behalten kann, was ich lerne,
In 20 Jahren lernt man nur noch digital.
Beim nächsten Mal frage ich drei Mitglieder der Generation Z, die gehen schließlich gerade zur Schule.
Bildung und Lernen in Deutschland ist ein spannendes Feld. Darum geht es übrigens auch in dem Buch „Die spinnen, die Jungen!“, das im Frühjahr 2015 erscheint. Steffi Burkhart spricht zu diesem Thema mit Dirk Rosomm von Bildungsinnovator. Guckt euch das Video an.
Beitragsbild: Flickr/ Tjook
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